Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse

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Donnerstag, 03.03.2011

Die Wunden werden nie heilen

Franz Rosenbach erzählte, wie er die Konzentrationslager der Nazis überlebte

Kriminell, arbeitsscheu und fremdrassig - mit diesen Begriffen belegten die Faschisten in den 1930er Jahren die Sinti und Roma und bereiteten damit ihre systematische Ermordung vor. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sie ungefähr 500 000 von ihnen in ganz Europa erschossen, totgeschlagen oder vergast.

Franz Rosenbach überlebte den nationalsozialistischen Terror, verlor aber 21 Familienangehörige. Am Sonntag berichtete er im Mörfelder Heimatmuseum von seiner Deportation nach Auschwitz-Birkenau, Buchenwald und Mittelbau-Dora. "Die Diskriminierung der Sinti und Roma dauerte lange nach 1945 noch an", erklärte die Museumsleiterin Cornelia Rühlig in ihrem Eingangsreferat. Wichtig für die Geschichtsaufarbeitung sei eine Rede der französischen Politikerin Simone Veil gewesen, die sie 1979 als erste Präsidentin des Europäischen Parlaments hielt, und in der sie auf das Schicksal der Sinti und Roma hinwies, so Rühlig. Erst im folgenden Jahr gründete sich der Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland und sorgte für eine schrittweise Anerkennung der Verbrechen.

ZEITZEUGE: Franz Rosenbach berichtete von seiner Deportation nach Auschwitz-Birkenau durch die Faschisten. Während etwa 500 000 Sinti und Roma in
ganz Europa ermordet wurden, überlebte er drei Konzentrationslager und den Todesmarsch. Die anschließende Diskussion leitete Angelika Diehl,
Abiturientin der Bertha-von-Suttner-Schule.
Foto: Schwappacher


Auch Franz Rosenbach sprach bis dahin nicht über die Zeit vor 1945, seine eintätowierte Häftlingsnummer aus Auschwitz-Birkenau überklebte er mit einem Pflaster um nicht darauf angesprochen zu werden. Auch heute noch falle es ihm nicht leicht, über das Erlebte zu sprechen. "Die Wunden platzen jedes Mal aufs neue auf, sie werden nie heilen", erklärte er im gut besuchten Heimatmuseum.

Etwas älter als 15 Jahre war Franz Rosenbach, als er an seinem Ausbildungsplatz bei der Reichsbahn verhaftet wurde. In der Zelle warteten bereits seine Mutter, Tante und Onkel mit sechs Kindern. In einem Zug wurden sie nach Auschwitz-Birkenau gebracht, wo sie in einer Baracke wie Heringe in der Dose schlafen mussten.

Dünne, abgewetzte Häftlingsklamotten bekamen sie im kalten April, und da es keine Toilette gab, stank es fürchterlich. "Die einzige Wärme, die es gab, war die Körperwärme der vielen Häftlinge in der Baracke". Drei Monate musste Franz Rosenbach helfen, die Kanalisation des Konzentrationslagers zu bauen. Bei den Arbeiten seien Hunderte von Gefangenen verschüttet worden und nie wieder aufgetaucht.

Als er in das Stammlager von Auschwitz verlegt wurde hatte Rosenbach Glück und wirkte noch kräftig genug. Während die schwächeren Gefangenen gleich vergast wurden, durfte er weiter leben und wurde zum Arbeitseinsatz nach Buchenwald gebracht. Sieben oder acht Monate schuftete er dort in einem Steinbruch, danach kam er nach Mittelbau-Dora, um Stollen für die unterirdischen Werksanlagen zur Produktion der VI anzulegen.

Im Frühjahr 1945 beschossen immer häufiger Flieger die Wachposten des Lagers, so dass es schließlich aufgelöst wurde. Franz Rosenbach und die anderen Gefangenen mussten sich auf einen Todesmarsch begeben. Wer zu schwach war oder zu langsam lief, wurde erschossen. Als nur noch eine kleine Gruppe am Leben war, überwältigten sie einen SS-Wachmann, ließen ihn laufen und machten sich auf und davon. Immer wieder versteckte sich Franz Rosenbach im Wald, bis ein Fahrradfahrer ihn ansprach und vom Kriegsende berichtete. Er hatte überlebt.

Bis er die Jahre der Gefangenschaft offen ansprach, sollte es aber viele Jahre dauern. Anfang 1980 war Rosenbach an der Gründung des bayerischen Landesverbands der Sinti und Roma beteiligt, in dem er noch heute aktiv mitarbeitet. Wie lange die von Cornelia Rühlig angesprochene Diskriminierung und die Vorurteile in der deutschen Bevölkerung noch anhielten, dokumentierte ein Zeitungsartikel, der vor dem Museum verteilt wurde. Er erinnerte an das Jahr 1984, als sich eine Gruppe Roma zwischen Mörfelden und Walldorf niederließen und sich mit einer aggressiven Bevölkerung konfrontiert sahen. Während die Polizei mit Lagerkontrollen reagierte, weigerte sich die Stadt, Strom- und Wasseranschlüsse bereit zu stellen.



Bericht: Schwappacher

Quelle: Freitagsanzeiger vom 03.03.2011