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Mittwoch, 02.06.2010

"Ich bin so krumm, wie ich eben bin"

Porträt: Der Walldorfer Siggi Liersch ist ein Kreativbündel: Er musiziert, schreibt, collagiert und spielt Tischtennis

"Bitte nennen Sie mich nicht Siegfried - ich bin der Siggi", sagt er und nimmt im Sessel Platz. Siggi Liersch ist ein kreativer Mann, dessen Vitalität im gut genährten Körper wohnt. "Ich bin authentisch, bin so krumm, so gerade, so bockig, so verschlafen wie ich eben gerade bin", umschreibt Liersch, was seinen unverfälschten Charme ausmacht.

Geboren 1954, lebt Liersch mit Ehefrau Heike und seinem Sohn Pepe im Walldorfer Haus seiner Kinderjahre. "Ich habe hier starke Wurzeln", sagt Liersch, räkelt sich und streckt die Beine dem Gitarrenkoffer entgegen. "Gitarrespielen habe ich mir selbst beigebracht. Als Erstes habe ich Verse von Friedrich Hölderlin vertont, später alte Lieder neu komponiert und Eigenes gedichtet", erzählt Liersch.

Im Wohnzimmer ragt die Bücherwand auf. Von Dostojewski über Robert Walser, Thomas Mann und Peter Handke bis hin zum widerborstigen Charles Bukowski ist alles zu finden, was Literaturkenner erfreut. "Meine Säulenheiligen haben Ehrenplätze", sagt Siggi Liersch und weist zu einem Band von Henry Miller hin. Er rezitiert: "Ich habe kein Geld, keine Zuflucht, keine Hoffnungen. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt." Pfiffig meint er: "Genial, oder?"

Ein Literaturfreund ist der vielseitig begabte Walldorfer Siggi Liersch. Er schreibt selbst,
musiziert, trainiert eine Jugendleistungsgruppe im Tischtennis und unterrichtet Deutsch
und Religion an der Bertha-von-Suttner-Schule Mörfelden-Walldorf.
Foto: Timo Jaworr


Schon zieht Liersch ein weiteres Buch hervor. Weniger seitenstark und eingeschweißt in Zellophan, reicht er es über den Tisch: "Siggi Liersch - Köttelbug, ich & andere." Er schriftstellert? Liersch sagt: "Gedichte, Kurzprosa, Lieder, das ist mein Metier."

Natürlich habe er, wie viele Studenten, in seiner Jugend vom großen literarischen Wurf geträumt. "Ein Kritiker formulierte damals: Siggi Liersch spielt Regionalliga. Und ich verstand: Champions League bist du nicht, aber doch besser als Kreisliga. Ich kann gut über mich selbst lachen."

Nun schlägt Liersch Abbildungen in dem Prosaband auf, die skurrile Collagen zeigen. "Das ist etwas, was Spaß macht. Mit Schere und Kleber setze ich Bildfetzen zusammen, ergänze zeichnerisch und bringe surrealistische Figuren aufs Blatt."

Drei künstlerische Spielfelder also: Liersch komponiert, dichtet und collagiert. "Dabei bin ich nur mäßig ehrgeizig und sehr langsam im Schreiben. Ich liebe das Fantasieren auf Papier." Seit Jahren teilt Liersch diese Leidenschaft auch mit anderen: Er leitet eine Schreibwerkstatt für Erwachsene.

Die künstlerischen Seiten des Siggi Liersch werden ergänzt durch Vereinsengagement. Seit mehr als 40 Jahren spielt Liersch Tischtennis bei Rot-Weiß Walldorf und steht derzeit in der hessischen Rangliste auf Platz 17 der Ü-50-Generation. "An der Tischtennisplatte erhole ich mich vom Schreibtisch."

Mit der Uni-Mannschaft sei er zweimal deutscher Hochschulmeister geworden, sonst habe er immer in Landes- und Hessenliga gespielt. Siggi Liersch gehört dem Vereinsvorstand an, fungiert als Interessensvertreter der Tischtennisdamen und ist Jugendtrainer einer Leistungsgruppe für Kinder und Jugendliche.

In der Unterhaltung kommen beiläufig die Stationen des Lebenslaufs zur Sprache: Siggi Liersch hat nach dem Abitur sein Germanistik- und Pädagogikstudium in Frankfurt begonnen. Der Ruf der Bundeswehr funkte dazwischen. "Ich lieferte mir 15 Monate lang Wortgefechte mit dem Hauptmann und schrieb 100 Gedichte", sagt Liersch ironisch.

Der Uniform entkommen, ging er an die Uni zurück. Zugleich stieg er als Texter in die Werbebranche ein und war Redakteur der Studentenzeitung "Diskus". "Ich hatte fast 30 Semester hinter mir, als Heike fragte, ob es nicht Zeit sei, den Magister abzulegen", erzählt Liersch schmunzelnd. 1988 hatte er das Diplom in der Tasche. Die Hochzeit folgte.

"Ich hatte genug vom Werbetexten und getreu der Devise, dass, wenn eine Tür zugeht, zwei andere aufgehen, war ich gespannt, was sich bieten würde." Es ergab sich mancherlei. Eine Zusatzausbildung als Pressereferent für Öffentlichkeitsarbeit sowie Redakteurstätigkeit bei einem Online-Dienst gehörten dazu.

"Über die Unterrichtsgarantie-Plus kam ich an Schulen, seit 2008 bin ich Lehrer für Deutsch und Religion an der Bertha-von-Suttner-Schule. Dort biete ich auch eine Schreibwerkstatt für Schüler an."

Übers kurzweilige Plaudern ist die Zeit wie im Flug vergangen. Wir verabschieden uns, und Siggi Liersch verschwindet zwischen seinen Bücherborden.

Bericht: Charlotte Martin

Quelle: Groß-Gerauer Echo 02.06.2010
echo-online.de