Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse

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Mittwoch, 07.07.2010

Wortsalat als literarische Delikatesse

Schreibwerkstatt: Sechst- bis Achtklässler der Bertha-von-Suttner-Schule in Mörfelden-Walldorf verfassen kreative Texte.

"Wenn ich schreibe, kann ich eine Welt entwerfen, die es nirgendwo gibt. Ich habe die Freiheit, meine Geschichte gut oder schlecht enden zu lassen, oder die Leser zu überraschen", sagt die zwölf Jahre alte Kristin Thoma. Sie gehört zu zehn Schülern der sechsten bis achten Klassen, die an der Arbeitsgemeinschaft (AG) "Kreatives Schreiben" der Bertha-von-Suttner-Schule (BSS) teilgenommen haben.

Zum Schuljahresende blickten Schüler und Kursleiter Siggi Liersch zurück, erinnerten sich an erste Schreibversuche, an Spaß beim Vorlesen und auch an Schreibblockaden, die nach einem langen Unterrichtstag Kreativität erschweren. Das Projekt des Deutschlehrers Liersch setzt da an, wo Leistungsdruck außen vor bleibt. Der Zwölftklässler David Neubecker ("eine echte Sprachbegabung") steht Liersch in der AG als Mentor der Schüler zur Seite.

Vom Leben als Katze und anderen Absonderlichkeiten handeln die Geschichten, die Schüler der Bertha-von-Suttner-Schule Mörfelden-Walldorf
unter Anleitung von Autor und Deutschlehrer Siggi Liersch verfassen.
Foto: Alexander Heimann


"Das kreative Potenzial der Schüler kommt im Unterricht nie voll zum Tragen. Lehrpläne geben ein Pensum vor, das wir absolvieren sollten. Wir können natürlich nicht nur Aufsätze schreiben", sagt Liersch. Seit 2008 ist er Lehrer an der "Bertha". Da er zudem Autor sowie Leiter einer Schreibwerkstatt für Erwachsene an der Volkshochschule ist, lag die Idee nahe, bei Schülern literarisches Schreiben zu fördern. "Die AG ist gedacht für diejenigen, die über die Pflichtaufgaben im Unterricht hinaus Spaß am Schreiben haben. Ich gebe Anreize zur Entwicklung vorhandener Potenziale", sagt er.

Pep bekommt der Kurs dadurch, dass Siggi Liersch selbst einen Heidenspaß an Wortspielen und Lautmalerei hat. "Es ist beflügelnd, auf spielerische Art den Rahmen, den Grammatik, Wortbedeutung und Rechtschreibung setzen, zu verlassen. Das heißt aber nicht, dass nur Nonsenstexte entstehen", veranschaulicht er. Wortsalat im Kopf kann, originell aufgearbeitet und mit Pointen gewürzt, zur literarischen Delikatesse werden. Illustrierend erzählt Liersch den Schülern von der Lyrikerin Sarah Kirsch, die feststellte, es seien oft orthografische Fehler, die Kreativität voranbrächten. "Nichts ist zu gering, um Anlass des Schreibens zu sein", sagt Liersch.

"Man bekommt in der AG Anstöße, die neue Ideen freisetzen", sagt Vivien Häferer (13). Ratloses Stieren aufs weiße Blatt oder mangelnde Konzentrationsfähigkeit lösen sich in Nichts auf, wenn Siggi Liersch Worte wie bunte Drachen von der Leine lässt. "Wir nutzen das Schreiben zur Musik oder Wortkärtchen, die in kuriosem Zusammenhang inspirierend sind. Ich gebe Themen vor, die den Blickwinkel verändern, zum Beispiel "Mein Leben als Ameise. Manchmal genügt ein Stichwort, wie etwa der Begriff Vergessen."

Vivien Häferer hat daraus die Geschichte eines Traums gesponnen. "Ich habe meinen Namen vergessen, habe vergessen, wo ich wohne, wie alt ich bin - ich habe alles vergessen. Was mache ich bloß?", führt sie in die alptraum artige Szenerie ein. Kristin Thoma hat ein Faible für Spannung. Ihre geheimnisvolle Short Story "Mehl für Eckert" ist mit Witz komponiert. Der Leser ist des Rätsels Lösung stets einen Schritt voraus.

"Es ist zu früh, um zu sagen, wir entdecken Talente, oder ein Schüler hätte das Zeug für die Schriftstellerei", sagt Liersch. Getreu dem Motto "Übung macht den Meister" gehe es zunächst um Freude an der Arbeit mit Sprache. Die Texte werden im Plenum respektvoll und wertfrei diskutiert. Die Schüler machen Vorschläge, wo nachgebessert werden könnte, und loben, was geglückt erscheint. "Wo ein Text rundum gelungen ist, ermutige ich auch mal zur Teilnahme an einem Schreibwettbewerb", sagt Liersch.

Rafael Helmenstein (14) verknüpft mit der AG keine hochfliegenden Träume: "Es geht mir darum, meinen Wortschatz auszubauen und in den Formulierungen sicherer zu werden. Das wirkt sich positiv auf den Deutschunterricht aus." Der fantasiebegabte zwölf Jahre alte Loris Becker sagt schlicht: "Die AG hat echt Spaß gemacht."

Die literarischen Ergebnisse der Schüler werden schulintern als Sammelband vorgelegt. Im kommenden Schuljahr startet die AG in neuer Konstellation: Dann sind schreibfreudige Schüler der Jahrgänge fünf bis 13 eingeladen.

Bericht: Charlotte Martin

Quelle: Groß-Gerauer Echo 07.07.2010
echo-online.de