Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse

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Donnerstag, 25.11.2010

"Eine Flut von Emotionen"

Lehrpfad zum KZ-Außenlager besteht seit zehn Jahren - Geschichte konkret erfahren

Die Ermordung von Millionen unschuldiger Menschen lässt sich zwar anhand von Büchern, Dokumenten und dem historischen Lehrpfad in Walldorf nach vollziehen. Auf eine andere Ebene gehoben wird die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg aber durch den Kontakt mit Überlebenden der faschistischen Vernichtungslager.

Dies wurde bei der Feier anlässlich des zehnjährigen Bestehens des historischen Lehrpfads über das ehemalige KZ-Außenlager in Walldorf deutlich. Emotional ergriffen, tief berührt und verunsichert - so schilderten am Sonntagnachmittag viele Redner ihre Gefühle, als sie mit Überlebenden des ehemaligen KZ-Außenlagers zusammentrafen.

Feierstunde:: Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Lehrpfades zum ehemaligen KZ-Außenlager erinnerten die Lehrerin Margrit Geffert-Holl (rechts) und die ehemalige Schülerin
Julia Achenbach an die Anfänge der Spurensuche nach den Überleben den Frauen. Die Bertha-von-Suttner-Schule organisierte 1997 eine Studienfahrt nach Ungarn.
Foto: Schwappacher


In den letzten Jahren wurde Intensiv über die Schicksale der etwa 1700 jüdischen Ungarinnen geforscht, die in Walldorf interniert waren, Zwangsarbeit verrichten mussten und brutal gefoltert wurden. Die Ergebnisse lassen sich auf den Schautafeln des Lehrpfades und in Broschüren nachlesen und bei Führungen mit der Museumsleiterin Cornelia Rühlig erfahren

Den Küchenkeller, in dem Frauen teilweise zu Tode geprügelt wurden, legten die 21 Teilnehmer des Work-and-Study-Camps 2009 weitgehend frei. An die damaligen Arbeiten erinnerte sich Claudia Köhler am Sonntag. Das Graben sei eine elementare Erfahrung gewesen, Geschichte zum Anfassen, sozusagen. Durch die harte körperliche Arbeit habe man sich in die Lage der ungarischen Frauen hineinversetzen können. "Das Ganze hat zu einer Flut von Emotionen und Erfahrungen geführt", so Claudia Köhler, die erst durch das Work-and-Study-Camp und das Graben im Wald verstanden habe, was Holocaust überhaupt bedeute. Um die Pflege des Lehrpfades kümmern sich die zwölften Klassen der Bertha-von-Suttner-Schule. Ein Anstoß für die intensive Beschäftigung der Schule mit dem ehemaligen KZ-Außenlager war eine Studienfahrt nach Ungarn 1997, bei der sich die Schüler auf Spurensuche nach Überlebenden des Außenlagers machten. Mit dabei waren die Lehrerinnen Margrit Geffert-Holl und die damalige Schülerin Julia Achenbach. Den heutigen Lehrpfad halten beide für einen wichtigen Ort um Geschichte konkret zu erfahren, erklärten sie während der Feierstunde am Sonntag.

Da Kinder und Jugendliche heute keine emotionale Bindung mehr zu den Tätern von damals hätten, sei heute ein anderes Erinnern möglich, stellte Ute Zeller, Rektorin der Bertha-von-Suttner-Schule, fest. Gleichzeitig bestünde aber auch eine größere Gefahr des Vergessens. Dabei könne die Zukunft nur mit einem Verständnis der Vergangenheit richtig gestaltet werden.

Um die Vergangenheit und die Schrecken des Holocaust besser zu verstehen nahmen die beiden Schüler Max Pistor und David Neubecker an einer Studienreise der Margit-Horvath-Stiftung teil und fuhren nach Auschwitz. Das dort Erlebte könne nur schwer in Worte gefasst werden, und die nackten Zahlen und Fakten würden ohnmächtig machen. Ein Schlüsselerlebnis sei es gewesen, als sie vor den Bergen von Schuhen und anderen persönlichen Gegenständen der Ermordeten standen. Aus den abstrakten Zahlen wurden plötzlich Menschen.

"Wir müssen an die nächste Generation denken und sie vorbereiten", betonte Ehrenbürgermeister Bernhard Brehl. Dazu sei der Lehrpfad ein wichtiger Beitrag, und auch die Gründung der Margit-Horvath-Stiftung trage dazu bei. aus der Geschichte zu lernen.

Bürgermeister Heinz-Peter Becker wies in diesem Zusammenhang auf die Initiative von Gabor Goldmann hin. Seine Mutter Margit Horvath war im Walldorfer Außenlager inhaftiert, und als sie 2001 verstarb legte er mit ihrem Entschädigungsgeld den Grundstein der Stiftung.

Abschließend betonte Cornelia Rühlig, dass der Antisemitismus eine europäische Geschichte habe. Es sei wichtig diese weiter aufzuarbeiten und auch den Lehrpfad zukünftig auszubauen. Für das nächste Jahr sei aber ein anderer Schwerpunkt geplant. Im Fokus soll dann die Beschäftigung mit der Verfolgung der Sinti und Roma stehen.

Bericht: Schwappacher

Quelle: Freitagsanzeiger vom 25.11.2010