Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse

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Mittwoch, 26.01.2011

Vom Überleben in der Nazi-Zeit

Die 79-jährige Vera Dotan erzählte Schülern von ihren schrecklichen Erfahrungen im KZ-Außenlager Walldorf

Vera Dotan, Jahrgang 1931, war als junges Mädchen im KZ-Außenlager Walldorf. Sie überlebte. Jetzt berichtete die 79-Jährige Schülern über ihre damaligen Erlebnisse.

Diesen lebendigen Geschichtsunterricht werden die jungen Menschen aus der Bertha-von-Suttner-Schule so schnell nicht vergessen. Die 79-jährige Zeitzeugin Vera Dotan, die im früheren KZ-Außenlager Walldorf Zwangsarbeit für den Frankfurter Flughafen leisten musste, schilderte gestern anschaulich das schreckliche Leiden in der Nazi-Zeit.

Rund 100 Zuhörer aus den 9. bis 13. Klassen informierten sich in der Aula über die Historie.

Die 79-jährige Vera Dotan (Mitte) aus Israel besuchte die Bertha-von-Suttner-Schule.
Foto: Diefenbach


Margrit Geffert-Holl, Lehrerin an der Gesamtschule, hat den Besuch organisiert. Bei ihr ist Vera Dotan bis Sonntag untergebracht, dann fliegt sie nach Israel zurück.

Schulleiterin Ute Zeller freute sich, dass auch Schüler des Goethe-Gymnasiums in Bensheim, das eine Partnerschaft mit einer Schule in Haifa (Israel) pflegt, mit ihrer Lehrerin Bella Bar zum Vortrag erschienen waren. Zeller wies auf den heutigen nationalen Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hin.

Versöhnung

Dieser Tag werde nicht genug gewürdigt, viele Menschen könnten kaum noch etwas mit Auschwitz anfangen. "Dies betrübt mich, denn nur wer sich mit der Vergangenheit beschäftigt, kann die Zukunft gestalten." Zeller betonte, dass sie sprachlos darüber sei, "dass Menschen wie Vera, die das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erlebt haben, selbst Versöhnung statt Rache wollen".

Vera Dotan, die 1931 in Budapest geboren wurde, stehe für Toleranz, Offenheit, Verständigung und Achtung vor Menschen. Zellerzeigte sich besonders bewegt von Dotans Satz: "Walldorf bleibt stets in meinem Herzen."

Während des Vortrags war es mucksmäuschenstill im Saal, einige Zuhörer weinten. Besonders bewegend war, als Dotan über den Tod ihres Bruders sprach: "Es war der schrecklichste Moment meines Leben, als ich meiner Mutter sagen musste, dass mein Bruder tot ist."

Zu Beginn berichtete Dotan, wie sie das Konzentrationslager Auschwitz und den berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele erlebt hatte. Sie kam mit 13 Jahren nach Auschwitz und hatte großes Glück, dass sie nicht im Krematorium endete. Ein Grund sei gewesen, dass sie den Rat einer älteren Frau befolgt und ein höheres Alter angegeben hatte.

Die Dimension des Lagers in Auschwitz sei enorm gewesen. Vera Dotan war in einem Block mit 1000 Menschen untergebracht, insgesamt gab es 32 solcher Blöcke. In Auschwitz war sie vier Monate. "Ich dachte nicht, dass solche Verbrechen möglich wären", sagte Dotan bewegt. Schreckliche Erfahrungen habe sie mit einer grausamen SS-Aufseherin gemacht, die nach dem Krieg wegen ihrer Verbrechen hingerichtet wurde.

Ständig bestraft

Doch noch interessanter war für die Schüler der "Bertha" der Teil des Vortrags, in dem es um das frühere KZ-Außenlager Walldorf ging. Nach ihrer Zeit in Auschwitz kam Vera Dotan 1944 nach Walldorf. Sie erinnerte daran, wie 1700 ungarisch-jüdische Frauen eine Rollbahn für den Flughafen bauen mussten.

"Wir wurden ständig bestraft und bekamen nur ein bisschen Brot zu essen." Auch die Kleidung sei ärmlich gewesen:"Im Dezember trugen wir Sommerkleider ohne Schuhe." Über eine SS-Führerin namens Herta wusste sie ebenfalls viele Grausamkeiten zu berichten. Veras Mutter, die in der Küche tätig war, wurde mehrmals heftig geschlagen. "Wir haben in Walldorf damals beide viel geweint", schilderte die Zeitzeugin die Situation.

Vera Dotan erzählte auch, wie sie die letzten Kriegsmonate erlebte. "Wir waren ein halbes Jahr in Walldorf. Danach kamen wir ins Lager Ravensbrück, dort waren die Grausamkeiten sogar schlimmer als in Auschwitz."

Bericht: Diefenbach

Quelle:Frankfurter Neue Presse vom 26.1.2011
fnp-online.de