Klassen 13                                                                                                   Bertha von Suttner Schule
                                                                                                                    An den Nußbäumen 1
Offener Brief                                                                                                64546 Mörfelden-Walldorf

 

 

Züblin AG

Kennedyallee 115-117                                                                        

60596 Frankfurt

 

Mörfelden, den 13. Januar 1998

 

Betreff

Zwangsarbeit jüdischer Ungarinnen 1944 im Flughafenlager Walldorf

 

Sehr geehrter Damen und Herren,

 

wir hatten Sie gebeten, auf einer Veranstaltung Stellung zu nehmen zu Ihrer Firmengeschichte, konkret zur Rolle Ihrer Firma beim Ausbau des Flughafen Frankfurt 1944. Leider reagierten Sie nicht auf unser Anliegen. Deshalb wenden wir uns erneut in Form eines offenen Briefes an Sie.

 

Wir, eine 13. Klasse, haben uns mit der Geschichte unserer Region in der Nazizeit beschäftigt. Auch in unserem Ort war ein "KZ-Außenlager" in dem jüdische Frauen, überwiegend aus Ungarn, gefangen gehalten wurden. Die Frauen arbeiteten für die Firma Züblin am Flughafen Frankfurt. Beeinflußt durch diese Erkenntnisse unternahmen wir eine Klassenfahrt nach Ungarn und trafen dort Frau Jakob, die im besagten Lager war.

 

Die Lebenssituation dieser Frau hat uns sehr erschreckt. Heute muß Sie mit einer Rente auskommen, die Sie selbst als „zuwenig zum Lehen und zuviel zum Sterben“ bezeichnet. Die Frage nach Entschädigung für die Leiden und Qualen aus der Zeit der Zwangsarbeit, die sie wohl nie vergessen kann, konnte Sie nur mit einem Nein beantworten.

 

Nach unserer Rückkehr veranstalteten wir einen Dokumentationsabend an unserer Schule, anläßlich dessen wir auch Sie, die Firma Züblin einluden. Wir erhielten aber keine Antwort. Unsere Dokumentation fand großen öffentlichen Anklang sowohl bei örtlichen Politikern als auch bei der Presse und im Hörfunk. Die Flughafen AG Frankfurt/Main hat darauf 10000,- gespendet.

 

Wir sind der Meinung, daß sich ihr Unternehmen für das Schicksal von Frau Jakob und den anderen Zwangsarbeiterinnen, von denen Sie profitiert haben, verantwortlich fühlen sollte und diese Menschen angemessen entschädigen, soweit dies überhaupt möglich ist. Es ist nicht tragbar, daß sich ein Großunternehmen wie Züblin den ethischen Wertmaßstäben, die aus der verfassungsmäßigen Einbindung der Wirtschaft in die Sozialpflichtigkeit abzuleiten sind verschließt (vgl. GG Art. 14) und sich nicht seiner Vergangenheit stellt. Wir bitten deshalb um eine klare Stellungnahme Ihres Unternehmens.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Die Klassen 13

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